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Christian Hinterhauer
Gedankensplitter 2
Kurzgeschichten von Christian Hinterauer

Taschenbuch September 2016
249 Seiten | ca. 14,8 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-96014-189-1


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Der Autor und Musiker Christian Hinterauer schreibt bereits seit seiner Jugend.
Dieser Umgang mit Schrift und Papier, Noten und Klängen ließ ihn seither nicht mehr los, sondern begleitete ihn fortan beruflich wie privat durch sein Leben. Denn es gibt nichts Aufregenderes, wenn sich Töne und Wörter in einem bilden, zu wachsen beginnen und sich schließlich zu einem schönen
Ganzen zusammenfügen. Es ist ein kreativer Wasserfall, der hoffentlich niemals versiegt.
Bestärkt und beseelt von dieser inneren Kraft ist es zu seiner Passion geworden, das was ihn bewegt, in Geschichten und Liedern zum Ausdruck zu bringen und mit all jenen, die sich darauf einlassen wollen, uneingeschränkt zu teilen.
In diesem Kurzgeschichtenband finden sich also vielerlei Gedanken und Themen, die Hinterauer zu Papier gebracht hat. Sie reichen von seinem Faible für das abenteuerliche Mittelalter, über die bunte Vielfalt des gar nicht so grauen Alltags, dem Betreten jener verschwiegenen Gassen der sündigen Stadt Erotica, bis hin zum tiefen Kramen in der Beziehungskiste.
Gedankensplitter eben, denn seine Fantasie kennt keine Grenzen.
Rehbraunfarben

Mit kräftigen Armbewegungen schob Markus den Rasenmäher durch den Garten.
Rasant kurvte er dabei mit dem knatternden Grasvertilger zwischen den zahlreichen Blumenarrangements herum. Zum Glück hatte Claudia alles mit Rasensteinen eingefasst, also konnte nichts schiefgehen und er somit keinen größeren botanischen Flurschaden anrichten.
Markus grinste fröhlich.
Bis vor kurzem war das Gefahrenpotential hier noch um einiges höher gewesen, denn da war es durchaus vorgekommen, dass er manchmal nicht nur das Gras allein niedergemäht hatte.
Ihm dabei aber böse Absicht zu unterstellen wäre unfair gewesen, denn er besaß nun mal eben keinen grünen Daumen wie seine Frau. Für ihn sahen nämlich alle Gräser und Kräuter irgendwie gleich aus, doch Claudia hatte reagiert und ihr Reich jetzt quasi idiotensicher gemacht.
Immer wieder fuhr sich Markus mit dem Arm über die schwitzende Stirn. Obwohl es noch früher Vormittag war, brannte die Sonne schon ordentlich vom Himmel herunter.
Bestimmt wäre es jetzt am Badeplatz angenehmer, doch heute kamen die Freundinnen von Claudia zu Besuch und er hatte ihr versprochen, den Rasen zu mähen, damit die Damenrunde im Grünen sitzen konnte.
Schließlich war die Arbeit getan und der Rasen auf dem Centercourt in Wimbledon präsentierte sich bestimmt auch nicht gepflegter.
Markus hatte, wie von seiner Claudia verlangt, den Grasschnitt unter die Sträucher gegeben und nachdem er den Rasenmäher gesäubert hatte, war endlich Feierabend. Ein wenig abgekämpft schlurfte er ins Haus und begab sich unter die Dusche.
Da es gegen Mittag zuging, holte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und schob eine Tiefkühlpizza ins Rohr. Um die Wartezeit darauf zu überbrücken, stellte er den Fernseher an und warf sich auf die Couch. Markus war noch gar nicht richtig zum Durchzappen gekommen, als es an der Haustür läutete.
Nanu, wer konnte das denn sein! Der Briefträger jedenfalls nicht, denn diesem war er zuvor bereits begegnet.
War Claudia etwa schon vom Einkaufen zurück?
Markus öffnete die Haustür und staunte nicht schlecht, denn vor ihm stand eine junge Frau. Sie trug ein helles Sommerkleid und ihre nackten Füße steckten in brauen Sandalen.
Langes, welliges Haar umrahmte ein hübsches Gesicht, das ihn freundlich anlächelte. Doch am hellsten strahlten ihre rehbraunfarbenen Augen, in denen sich das Sonnenlicht zu spiegeln schien.
„Hallo!“, sagte sie mit warmer Stimme. „Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“
„Worum geht’s denn?“, fragte Markus, obwohl er schon ahnte, worauf dieser Überfall hinauslief.
Abschätzend musterte er sein Gegenüber und die braune Umhängtasche, die an ihrer Schulter hing.
Bestimmt war dieses Fräulein da eine von der Sorte, die von Haus zu Haus zog, um den Leuten irgendetwas anzudrehen. Trotzdem passte sie nicht so recht zu denjenigen dieses Schlages, die sonst auf seiner Fußmatte herumtrampelten, denn auf den ersten Blick gesehen wirkte sie eigentlich ganz nett.
Vielleicht sogar ein wenig zu nett.
Denn eine alternativ angehauchte, strickjackentragende Ökö-Tante von Greenpeace sah anders aus und für eine Bibeltreue von den Zeugen Jehovas kam sie Markus einfach zu wenig streng konservativ oder staubtrocken bieder vor.
Vielleicht war die Kleine da von einem Lesezirkel oder Amnesty International oder sie wollte ihm als arme Kunststudentin eines ihrer selbstgemalten Bilder verkaufen.
Jedenfalls war dieses Fräulein nicht nur zum freundlich Hallo-Sagen vorbeigekommen und das bewies sie ihm auch sogleich.
„Ich bin von der Österreichischen Rettungshundebrigade“, legte sie mit eifrigem Tonfall los. „Sie werden bestimmt schon von uns und unserer Arbeit gehört haben. Die Aufgabe der ÖRHB ist die Suche nach verschütteten, verletzten oder verirrten Personen, sowie die nachfolgende Erste Hilfe-Stellung. Auch sind wir in der Katastrophenhilfe im In- und Ausland beteiligt.“
Also doch so eine, dachte sich Markus und legte wenig begeistert darüber seine Stirn in Falten.
Sie aber warf ihm einen überzeugten Blick aus ihren rehbraunfarbenen Augen zu und kramte dann geschäftig in ihrer Umhängetasche herum.
Bevor Markus dazu kam den Mund zu öffnen, hielt sie ihm bereits einen bunten Folder unter die Nase.
„Hier, bitte sehr, ein wenig Informationsmaterial“, fuhr sie erklärend fort und begann das Heftchen aufzuschlagen. „In dieser Broschüre finden Sie alles über die Ausbildung unserer freiwilligen Rettungshundeführer und Helfer, sowie deren vierbeinigen Suchhunden. Wir hoffen Ihnen so einen kleinen Einblick in unsere Arbeit bieten zu können und wünschen viel Spaß beim Durchblättern.“
Markus beugte sich ein wenig näher an dieses Fräulein heran, während er den Folder entgegennahm. Dabei erhaschte seine Nase einen Hauch vom Duft ihres zarten Parfüms oder waren es ihre Haare, die so gut rochen?
Verstohlen glitt sein Blick vom kleinen Muttermal an ihrem Hals aufwärts über ihr lächelndes Gesicht und blieb schließlich an ihren rehbraunfarbenen Augen hängen, die ihm offen und ohne Scheu entgegenblickten.
„Natürlich kostet das alles Geld und wir von der ÖRHB sind darum auf Ihre Hilfe angewiesen“, hörte er das Mädchen wie von weitem sagen. „Unterstützen auch Sie deshalb unsere Rettungshundeteams mit Ihrer Spende. Es ist ganz einfach und kostet auch nicht viel. Wenn Sie möchten, erkläre ich Ihnen die Zahlungsmodalitäten!“
Normalerweise hätte Markus spätestens jetzt die Bremse gezogen und dieses Gespräch, dass auf das Übliche hinauslief, mit ein paar kurz angebundenen Worten beendet, um anschließend seinem Gegenüber die Tür vor der Nase zuzuschlagen, doch er tat es nicht. Stattdessen versank sein Blick in der samtenen Tiefe ihrer rehbraunfarbenen Augen.
Das Fräulein redete und erklärte, doch er hörte nur mit halbem Ohr zu.
Seine eigentliche Aufmerksamkeit galt indessen ihrer Erscheinung, die ihm immer besser gefiel. Sie wurde Markus zusehends sympathischer und ihr bezauberndes Wesen hatte ihn längst gefangen genommen, ja sogar ein klein wenig verhext.
Dieses Mädchen war so erfrischend natürlich und unbefangen, dass er gar nicht glauben konnte, dass sie in Wahrheit eigentlich auch nur eine von diesen süßholzraspelnden Spendenkeilerinnen war.
Denn die Tatsache, dass sie ihm Geld aus der Tasche ziehen wollte, lag derart offensichtlich auf der Hand und sie machte eigentlich gar kein Hehl daraus, aber konnten diese schönen Augen wirklich so hinterhältig und gemein sein?
Wieder tauchte er in den Blick ihrer rehbraunfarbenen Augen ein. Dort war und fand er so viel, dass ihm Ruhe und Wohlsein brachte.
Träumerisch streifte Markus durch das bunte Farbenkleid eines herbstlichen Waldes und atmete die frische Luft, während seine Füße durch den laubbedeckten Boden raschelten. Er sah die Sonne durch das Blattgewirr der Bäume funkeln, Tautropfen gleißten auf fein gesponnenen Spinnweben und von irgendwoher erklang das helle Lachen einer Frau.
Alles war so friedlich und voller Schönheit, dass er gar nicht mehr von dort fort wollte.
Markus kannte sich selbst kaum wieder.
War hier etwa eine Art Feenzauber im Gange oder warum fühlte er sich sonst so tiefenentspannt. Eingelullt und betört von ihrer freundlichen Ausstrahlung tat er etwas, dass ihm sonst niemals eingefallen wäre.
Beinah wie in Trance griff er großherzig zum Stift und unterschrieb das Formular, welches sie ihm hinhielt.
Gleich darauf hatte das Mädchen alles in ihrer Umhängetasche verstaut und wandte sich zum Gehen.
„Vielen Dank im Namen der Österreichischen Rettungshundebrigade. Sie werden Ihre Großzügigkeit nicht bereuen“, hörte er sie sagen. „Schönen Tag noch! Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!“
Das Fräulein schenkte ihm zum Abschied ein bezauberndes Lächeln und ihre rehbraunfarbenen Augen leuchteten dabei mit der Sonne um die Wette. Dann sprang sie leichtfüßig und mit wehendem Rock die paar Stufen zur Straße hinunter und verschwand schließlich zwischen den Häusern seiner Nachbarschaft.
Markus sah ihr noch eine Weile hinterher, ehe er langsam wieder aus seiner träumerischen Stimmung erwachte. Erst jetzt fiel sein Blick genauer auf das unterschriebene Formular und gleich darauf wäre er am liebsten in einen Schreikrampf verfallen.
Worauf hatte er sich denn da eingelassen! Claudia würde ihm dafür bestimmt ordentlich den Kopf waschen!
Diese Gelegenheit dafür ergab sich bereits wenig später, nämlich, als seine bessere Hälfte vom Einkaufen zurückkam und das Formular in die Hand nahm.
„Was ist denn in dich gefahren! Du bist ja auf einmal die Großzügigkeit in Person!“, monierte seine Frau leicht sarkastisch. „Fünf Euro monatlich und das gleich vertraglich gebundene zehn Jahre lang! Hätte ich mir nicht gedacht, dass dich wirklich mal jemand zum Spenden rumkriegt! Sag, wer hat das geschafft: Irgend so eine hübsche Puppe vielleicht?“
Typisch Claudia! War er denn wirklich so leicht zu durchschauen?
„Ach, weißt du, da war so ein Kerl, der hat derart überzeugend geredet, dass ich mich eben von ihm breitschlagen ließ!“, brummte Markus. „Kommt unter Garantie nicht wieder vor!“
Seine Frau ließ es damit bewenden und wandte sich kopfschüttelnd anderen Dingen zu. Markus aber schloss kurz die Augen und sogleich sah er das sympathische Fräulein wieder vor sich.
Roch den Duft ihres zarten Parfums, lauschte dem freundlichen Tonfall ihrer Stimme und ging erneut durch diesen bunten Wald, in dem er so viel Frieden und Ruhe fand.
Wieder läutete es an der Haustür, doch dieses Mal waren es die Freundinnen, die zu seiner Claudia auf Besuch kamen. Grinsend und etwas erleichtert darüber warf sich Markus neuerlich auf die Couch.
Noch einmal würde er sich nicht rumkriegen lassen, aber gegen die sanfte Magie dieser rehbraunfarbenen Augen hatte selbst sein standhaftes Verweigern, das er diesen Spendenkeilern stets gegenüber brachte, nichts entgegenzusetzen gehabt.
Trotzdem hielt sich sein Unmut in Grenzen, denn schließlich hatte er etwas viel Schöneres von diesem bezaubernden Wesen erhalten.
Nämlich einen wunderbaren Tagtraum, der nur ihm gehörte und hoffentlich noch lange in seinem Kopf lebendig blieb.
Doch davon brauchte Claudia nicht unbedingt etwas zu erfahren.

Mehr über den Autor und seine Bücher findet man unter:
www.christian-hinterauer.at

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